Die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung (SBV) setzt sich für eine qualitativ hochstehende Versorgung im schweizerischen Gesundheitswesen ein und nimmt zur Motion Buffat hiermit Stellung.
In diesem Vorstoss wird angeführt, dass die Schweiz mit einem Anteil von rund 12 % der Gesundheitskosten am BIP weltweit der zweitgrösste Beitragszahler für das Gesundheitssystem sei. Diese Aussage ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht haltbar. Das Bundesamt für Statistik (BfS) veröffentlichte für das Jahr 2020, dass die Schweiz mit 11,8 % Gesundheitsausgaben gemessen am BIP hinter dem Vereinigten Königreich (12,8 %), Deutschland (12,5 %) und Frankreich (12,4 %) liegt. Österreich hat mit 11,5% nur geringfügig geringere Gesundheitsausgaben gemessen am BIP als die Schweiz. Zudem ist das schweizerische Gesundheitswesen im weltweiten Vergleich bei Wartezeiten, Zugang zum Gesundheitswesen, Beschäftigung von Pflegepersonal und Effizienz des Versorgungswesens Spitzenreiter.
Weiterhin wird in der Motion angeführt, dass Zusatzversicherte weitaus öfter operiert werden, als Grundversicherte. Der Motionär nimmt hierbei eventuell Bezug auf die Studie über den Vergleich der Anzahl kardiologischer Eingriffe der Universität Basel und des Kantonsspitals Aargau. Diese Studie kam zu dem Ergebnis, dass Zusatzversicherte tendenziell öfter behandelt werden, als Grundversicherte. Jedoch wird hierbei verschwiegen, dass die Studie selbst auf ihre Einschränkungen hinweist: «Aufgrund des Beobachtungsdesigns kann nicht von einem Kausalzusammenhang ausgegangen werden und es können keine direkten Rückschlüsse auf die Angemessenheit der Verwendung gezogen werden.» Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (OBSAN) kommt in einer deutlich umfangreicheren Studie hingegen zu dem Ergebnis, dass Zusatzversicherte nicht mehr Spitalleistungen in Anspruch nehmen als Grundversicherte. Bei dieser Studie wurden Eingriffe aus verschiedenen Fachbereichen betrachtet, womit das Ergebnis wesentlich repräsentativer ist.
Der Vorwurf der Überversorgung aufgrund falscher Anreize ist nicht neu. So pauschal wie der Motionär ihn erhebt, ist er aber unzutreffend. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass in den Jahren 2020 und teilweise 2021 viele Konsultationen und Behandlungen/Eingriffe aus verschiedenen Gründen nicht oder verspätet durchgeführt worden sind. Teilweise wurden sie untersagt, um Kapazitäten freizuhalten, teilweise getraute sich die Bevölkerung auch schlicht nicht in die Praxen und Spitäler. Die Folge davon sind zwar geringere Gesundheitskosten in diesen Bereichen, jedoch auch eine Bevölkerung mit einer insgesamt schlechteren Gesundheit. Dies hat man insbesondere festgestellt, wenn Patienten in die Intensivpflegestation (IPS) eingeliefert wurden. Hier wird systematisch der Gesamtgesundheitszustand des Patienten geprüft und erhoben. Dabei hat man gesehen, dass die Patienten insgesamt einen schlechteren Zustand aufwiesen als vor der Corona-Krise, wobei die Coronapatienten nicht miteingerechnet sind. Wird also das hohe Versorgungsniveau reduziert, so hat dies direkte Auswirkungen auf die Gesundheit. Die normalerweise sehr gute Versorgung in der Schweiz mag im Vergleich zu anderen Staaten wie eine Überversorgung aussehen, sie trägt aber massgeblich zu einer guten Gesundheit bei.
Letztendlich lässt sich sagen, dass ein freiberuflicher Arzt ein Interesse daran hat, seine Arbeit gut und zielgerichtet auszuüben. Die meisten Ärzte sehen trotz der Anreize die Gesundheit und das Wohl des Patienten im Mittelpunkt. Ein zufriedener Patient ist auch die beste Werbung für einen Arzt. Bei den Spezialisten sind die überweisenden Hausärzte zudem ein wirksames Korrektiv. Der Hausarzt wird seine Patienten nicht an einen Spezialisten überweisen, der im Ruf steht, qualitativ schlecht zu arbeiten oder zu viel und zu rasch zu operieren. Das Bonmot „der freiberufliche Arzt schaut auf den Patienten, der angestellte Arzt schaut auf die Uhr“ ist sicherlich übertrieben, zeigt aber deutlich auf, dass auch der im Monatslohn angestellte Arzt erheblichen Fehlanreizen ausgesetzt ist. Da der Zugang zu medizinischen Leistungen in der Schweiz weltweit unter den Spitzenreitern ist, erstaunt es nicht, dass auch die Anzahl der Leistungen höher ist. Aber wie bereits erwähnt, geht dies nicht automatisch mit einer Überbehandlung einher.