Nationalrat Lohr nimmt in seiner Interpellation 24.3557 Bezug auf die Behauptung des Bundesrates, es gebe ein Effizienzpotenzial von 20% im Schweizer Gesundheitswesen. Da dieses Potenzial bisher nicht ausgeschöpft worden sei, stellt er folgende Fragen:
- Welchen Beitrag können dabei neue Technologien leisten?
- Wie müssten die bestehenden Versorgungsstrukturen angepasst werden?
- Bedarf es in gewissen Themen einer Kompetenzverschiebung von den Kantonen hin zum Bund (Thema Mehrfachrolle der Kantone)?
- Wie können Ineffizienzen im System wirksam bekämpft und die Ressourcen effizienter verwendet werden?
- Bedarf es seitens der Leistungserbringer und der versicherten Personen einer Anpassung der Anreizsysteme und wenn ja, welche?
- Wie können unnötige oder gar doppelte Behandlungen für die Patienten vermieden werden?
Die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung (SBV) nimmt die Gelegenheit gerne wahr, die Fragen aus ihrer Optik zu beantworten:
Zunächst ist festzuhalten, dass dieses Narrativ des Effizienzpotenzials von 20% zwar in der Politik und Verwaltung verbreitet wird, jedoch bislang wenig konkret bleibt. Einen Beweis, dass das Potenzial tatsächlich so gross ist, hat bisher noch niemand erbracht. Leider unterliess es NR Lohr, vom Bundesrat konkrete Angaben zum Effizienzpotenzial zu verlangen. Die Fragen müssen deshalb unter diesem Vorbehalt beantwortet werden:
Welchen Beitrag können dabei neue Technologien leisten?
Neue Technologien waren nie ein Wundermittel gegen hohe Kosten und werden es jemals sein. Selbstverständlich kann jede neue Technologie die Behandlungsqualität verbessern, insbesondere bietet die personalisierte Medizin gezielte Behandlungen mit deutlich weniger Nebenwirkungen und Risiken. Der Aufwand auf Leistungserbringerseite wird dadurch nicht kleiner, er verlagert sich zu Prozeduren, die vor einigen Jahren noch gar nicht möglich waren. Bereits das Beispiel der Radiologie zeigt, wie eine neue Technik zwar die Behandlung verbessert, nicht aber Kosten spart.
Wie müssten die bestehenden Versorgungsstrukturen angepasst werden?
Diese Frage suggeriert, dass nur eine staatliche Planung einen Effizienzgewinn bringen könnte . Eine Steuerung Top-Down ist jedoch dafür anfällig, dass an den eigentlichen Bedürfnissen vorbeireguliert wird. Mit den richtigen finanziellen Anreizen können effiziente Strukturen von selbst entstehen.
Bedarf es in gewissen Themen einer Kompetenzverschiebung von den Kantonen hin zum Bund (Thema Mehrfachrolle der Kantone)?
Auch diese Frage geht davon aus, dass mehr Regulierung die einzige Lösung ist. Die SBV sieht in der Mehrfachrolle der Kantone ebenfalls ein Problem, welches von der Politik nicht oder nur sehr schleppend angegangen wird. Die Annahme, die einzige Lösung der Mehrfachrolle der Kantone sei es, die Kompetenzen zum Bund zu verschieben, ist falsch. Auch beim Bund besteht das Risiko, dass Entscheide politisch beeinflusst werden. Die GDK hat einen starken Einfluss, was sich zuletzt bei der Diskussion um EFAS gezeigt hat. Eine Entflechtung der Mehrfachrolle kann auch durch eine Liberalisierung und Privatisierung erfolgen.
Wie können Ineffizienzen im System wirksam bekämpft und die Ressourcen effizienter verwendet werden?
Dass Ineffizienzen im System wirksam bekämpft werden können, setzt voraus, dass sie bekannt sind. Wie oben erwähnt, fehlt eine umfassende und systematische Auslegeordnung. Solange eine solche nicht vorhanden ist, basieren alle Massnahmen lediglich auf Annahmen. Das führt dazu, dass die Regulierungsdichte extrem zunimmt und Massnahmen nach kurzer Zeit wieder überarbeitet werden. Diese administrative Belastung des Systems führt zu einem grossen Effizienzverlust, beziehungsweise dazu, dass Ressourcen gebunden werden, die an anderer Stelle fehlen. Eine gute Kostenfolgeabschätzung und eine seriöse Regulierungsfolgeabschätzung sind unabdingbar.
Bedarf es seitens der Leistungserbringer und der versicherten Personen einer Anpassung der Anreizsysteme und wenn ja, welche?
Fehlanreize sind im System etliche vorhanden, die nicht oder nur zögerlich angegangen werden. Aktuelle und prominente Beispiele sind EFAS oder die verzögerte Einführung von Tardoc.
Wie können unnötige oder gar doppelte Behandlungen für die Patienten vermieden werden?
Der Patient muss seine Eigenverantwortung wahrnehmen. Wenn er nach Ausschöpfen der Franchise und des Selbstbehalts keinerlei finanzielle Folgen trägt, hat er kein ausgeprägtes Kostenbewusstsein mehr. Ein mehrfacher Arztwechsel, bis der Patient erhält, was er sich wünscht, wird durch eine Kostenbeteiligung und das so entstehende Kostenbewusstsein vermindert. Es ist zudem nicht erwiesen, dass die Rechnungskopie an den Patienten das Kostenbewusstsein gefördert hat. Am Ende ist zu befürchten, dass diese Massnahme in die Kategorie «hohe administrative Kosten ohne Nutzen» fällt. Eine wichtige Massnahme wäre ein gut funktionierendes Elektronisches Patientendossier (EPD). Dies muss allerdings rechtlich so konzipiert sein, dass doppelte Behandlungen nicht aufgrund unterdrückter Daten dennoch nötig sind. Hierzu verweist die SBV auf ihre Ausführungen zum EPD.