Mit dem Postulat 21.3843 behandeln die Liberalen (FDP) die Frage der medizinischen Versorgungssicherheit in den kommenden zwei Jahrzehnten u.a. vom bildungstechnischen Standpunkt aus betrachtet. Namentlich die Eintrittsprüfung ist dabei Thema, aber auch Aspekte wie Geschlechterungleichgewicht, Teilzeiterwerbstätigkeit, demographische Entwicklungen sowie der Anteil an ausländischem Fachpersonal. Der Bundesrat wird gebeten, einen Bericht zu erstellen, welcher aufzeigt, welche gesetzlichen Grundlagen nötig sind, um die medizinische Versorgung durch ausgebildetes Fachpersonal in der Schweiz sowohl in den Spitälern als auch in den ambulant tätigen Praxen zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Identifikation allfälliger Hindernisse und Darlegung von Handlungsempfehlungen.
Im Internationalen Vergleich bindet die Gesundheitsversorgung in der Schweiz hohe Personalressourcen. Der Mangel an ärztlichen Fachkräften ist offensichtlich und das Engagement der Ärzteschaft bekanntlich überdurchschnittlich hoch. Der Mangel wird mittels massiven Imports an Ärzten kompensiert und führt zu einer Abhängigkeit vom Ausland. Die Teilzeitarbeit hat sich in den letzten 10 Jahren ausgeweitet und ist heute mittlerweile eine gender-unabhängige Realität. Die demographische Situation wird die Gesundheitspolitik in Zukunft vor grosse Herausforderungen stellen; dies umso mehr, als aktuell die Bevölkerung stetig am Wachsen ist, ohne dass die Zahl der diplomierten Medizinalpersonen erhöht worden wäre. Um die medizinische Versorgung nachhaltig zu sichern, kann man sich nicht darauf verlassen, dass die Deckung des Personalbedarfs auch zukünftig nach dem gegenwärtigen Prinzip möglich sein wird – die Schweiz muss möglichst selbst genügend medizinisches Personal ausbilden!
In der Humanmedizin werden die Kandidaten anhand eines Numerus Clausus und einer vor über 20 Jahren eingeführte Eignungsprüfung ausgewählt, weil sich das Studium in die teuersten Bildungsgänge überhaupt einreiht. Leider gehört der Numerus Clausus aber zu den Hürden, welche sich suboptimal auf die Versorgungssicherheit auswirken, denn die Anzahl der Kandidaten übersteigt bei weitem die Anzahl der Plätze für ein Medizinstudium. Der Numerus Clausus verhindert somit von vornherein die Ausbildung eines Teils von Kandidaten und in der Konsequenz wird die künftige Ärzteschaft um eben diesen Anteil gemindert.
Zudem ist das System des Numerus Clausus ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, da es das Recht auf freie Berufswahl einschränkt. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahmen der Realität gerecht werden und praktikabel sind, ansonsten eine Neuregelung oder unter Umständen gar Abschaffung in Erwägung zu ziehen ist.
Eine in Swiss Medical Weekly (31.12.2020) veröffentlichte Studie der Universität Bern befasst sich mit der Eignung des Zulassungsprozesses zum Medizinstudium. Danach liefern die Resultate aus der Eignungsprüfung hinsichtlich der dreijährigen Grundausbildung in Humanmedizin keinen zusätzlichen Vorhersagewert zu den Noten der Matura und das Zulassungsverfahren ist aufgrund des begrenzten Nutzens für die Vorhersage daher zu überdenken. Zum Beispiel sollten laut den Studienautoren auch Kriterien wie Kommunikationsfähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und berufliches Verhalten in die Bewertung mit einbezogen werden. (Quelle: medinside.ch-2.3.2021)
Bei letzterem Kriterium gilt es allerdings darauf hinzuweisen, dass die zur Eignungsprüfung antretenden Personen zumeist Matura-Absolventen sind, die – wenn überhaupt – in aller Regel noch nicht über eine weitreichende Berufserfahrung verfügen.
Im Rahmen der Kontroversen um den Zulassungsprozess besteht angesichts der aktuellen Fakten und Entwicklungen Handlungsbedarf vor allem hinsichtlich der Frage, wieviele Medizinalpersonen – unter Berücksichtigung der hypothetischen Verluste (namentlich Berufsabgänge) sowie des allgemein abnehmenden Beschäftigungsgrades – ausgebildet werden müssen, um das aktuell verfügbare Arbeitsvolumen aller in der Schweiz tätigen Ärztinnen und Ärzte nachhaltig zu optimieren, ohne weiterhin auf den Import von ausländischen Fachkräften angewiesen zu sein.
Das vorliegende Postulat ist daher unterstützenswert, denn es behandelt die medizinische Versorgungssicherheit in einem grösseren Kontext, unter Einbezug der massgeblichen Problemfelder.