Am kommenden 14. Juni werden Volk und Stände über die Erbschafts-Steuerinitiative abstimmen. Diese will die wenigen bestehenden massvollen kantonalen Erbschafts- und Schenkungssteuergesetze abschaffen. An ihre Stelle soll eine einheitliche nationale Schenkungs- und Erbschaftssteuer von 20 % (!) in Kraft treten. Vorgesehen würde ein Freibetrag von 2 Mio. Franken, rückwirkend ab 1. Januar 2012. Über diese Initiative ist schon viel geschrieben worden. Folgende wesentliche Aspekte seien nochmals hervorgehoben:
- NEIN zur Dreifachbesteuerung: Die in einer Erbschaft vorliegenden Gelder wurden seinerzeit als Einkommen und sodann jährlich als Vermögen besteuert. Eine weitere massive Fiskalbelastung widerspricht dem Doppelbesteuerungsverbot!
- Der Freibetrag von 2 Mio. Franken erscheint hoch. In der Tat ist er in den KMU-Betrieben, wo das meiste Geld im Betrieb, in Betriebsmitteln und betrieblichen Gebäuden investiert ist, keineswegs hoch. Und namentlich bei Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften würde ja auch Kapital aus der Altersvorsorge und Wohneigentum hinzugerechnet.
- Zwei Drittel der Einnahmen aus dieser Steuer würden der AHV zukommen, die sanierungsbedürftig ist. Tatsächlich würden diese Erbschaftssteuer-Einnahmen aber bei weitem nicht reichen, die AHV zu sanieren. Hier braucht es eine ganz andere grundlegende Revision der AHV.
- Die 20 % Steuerbelastung würde auf alle Erbschaften angewendet, eingeschlossen die direkten Nachkommen, die bis heute in der Mehrzahl der Kantone mit Erbschaftssteuer von der Besteuerung ausgenommen waren.
- Diese Steuer würde nicht auf jeden einzelnen Erbanteil angewendet, sondern auf die Erbschaft als Ganzes. Bei einer Erbschaft von 2 Mio. Franken und 4 direkten Nachkommen müssen diese das Gleiche bezahlen, wie wenn nur 1 Nachkomme dasteht. Ist das wirklich Steuergerechtigkeit?
- Für landwirtschaftliche Betriebe und KMU werde zwar eine Erleichterung zugestanden, die freilich im Initiativtext überhaupt nicht definiert ist. Werden Firmen von den Erben weitergeführt, müssen diese das Unternehmen mindestens während 10 Jahren weiterführen, um eine tiefere Besteuerung geltend machen zu können. Gelingt dies nicht, muss die Erbschaftssteuer in vollem Mass nachbezahlt werden. Das würde entsprechende Kapitalreserven verlangen, die in hohem Masse Geldmittel binden und dem Betrieb nicht zur Verfügung stünden.
- Die Erbschaftssteuer wird rückwirkend auf die Vermögen vom 1. Januar 2012 fällig, was zu einer völlig inakzeptablen Rechtsunsicherheit für alle führt. Die staatspolitische Kommission des Nationalrates hat denn auch entschieden, dass inskünftig Volksinitiativen mit rückwirkenden Bestimmungen für ungültig erklärt werden sollen. Bürgerinnen und Bürger müssten in Treu und Glauben davon ausgehen können und dürfen, dass Rechtsbestimmungen, die zum Zeitpunkt einer Handlung in Kraft sind, auch gelten.
Fazit: Diese Initiative ist staatspolitisch und mit Blick auf die Steuergerechtigkeit bedenklich. Sie gefährdet die Existenz und die Nachfolgeregelung bei KMU-Betrieben, die mit einem Anteil von 80 % aller 300‘000 Schweizer Unternehmen das Rückgrat unserer Volkswirtschaft bilden. Diese Erbschafts- und Schenkungssteuer-Initiative ist daher entschieden abzulehnen. Dr. U. Wanner