Anhand eines repräsentativen Beispiels ergründet ein Bund-Artikel vom 18.11.2019, dass viele ärztliche Eingriffe eigentlich überflüssig seien. Nach Aussage der befragten Patientin wurde diese dazu gedrängt, die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernen zu lassen; nachträglich stellte sich heraus, dass den gesundheitlichen Problemen ein gutartiges Myom zugrunde lag. An dieser Stelle suggeriert der Artikel, dass der Eingriff unnötig war. Was aber wäre passiert, wenn der Arzt seiner Patientin geraten hätte, abzuwarten und eine bösartige Erkrankung hätte sich herausgestellt?
Gemäss BAG werden Personen mit einer Zusatzversicherung häufiger operiert als Grundversicherte (eine Differenzierung zwischen Halbprivat-/Privatversicherten wurde unsauber vorgenommen). Es bestehe ein falscher Anreiz, invasive Eingriffe vorzunehmen, die das Gesundheitssystem teuer zu stehen kommen und gesundheitlich bedenklich sein können. Die entgegengesetzte Überlegung wird hier nicht gemacht: Wie gefährlich ist es, im Zweifelsfall nichts zu tun und wie sieht es mit den Kosten aus, wenn dem Versäumnis lebensgefährliche Komplikationen folgen? Zweifellos ist es manchmal schwierig, im Voraus zu beurteilen, ob eine Operation nötig oder vermeidbar ist. Ärzte agieren lieber vorsichtig, als das Risiko einzugehen, etwas Gravierendes zu übersehen. Erneut sei hier bemerkt, dass die Ärzte für Behandlungsfehler haften und aus dieser Sicht verständlicherweise die Gesundheit des Patienten nicht durch Unterlassung aufs Spiel setzen wollen.
Als weiterer Grund für überflüssige Untersuchungen wird angeführt, dass vonseiten der Spitäler ein Druck vorhanden sein kann, Untersuchungsgeräte auszulasten. Von diesem Druck sind gerade die Belegärzte nicht betroffen, denn sie sind als selbständige Unternehmer von den Interessen der Spitäler unabhängig und nur ihren Patienten verpflichtet. Im Gegenteil: Ein Belegarzt, der sich dem Ruf aussetzt, er nehme Eingriffe zu leichtfertig vor, verliert Zuweiser und mögliche Patienten.
Im Kanton Zürich muss der Operateur seit diesem Jahr die staatliche vorgegebenen Mindestfallzahlen erreichen, d.h. ein Chirurg muss einen bestimmten Eingriff pro Jahr häufig genug vornehmen, um die scheinbaren Qualitätsanforderungen zu erfüllen, bzw. um seine Bewilligung zu behalten. Es ist nicht nur umstritten, ob Mindestfallzahlen tatsächlich zu einer Qualitätssteigerung bei chirurgischen Eingriffen führen, die Massnahme leistet einer kostentreibenden Mengenausweitung geradezu Vorschub.
Obwohl es in der Schweiz keine verlässlichen Studien gibt, die belegen, dass der Anteil der unnötigen Behandlungen bis zu 30 Prozent hoch sei, hat die Kampagne «Smarter Medicine» den überflüssigen Therapien den Kampf angesagt und fordert verschiedene, medizinische Fachgesellschaften auf, je fünf nutzlose Behandlungen aus einem jeweiligen Fachgebiet anzugeben. Fachexperten sollen lernen, medizinische Informationen empfängergerecht zu vermitteln. Patienten sollen u.a. im Rahmen kostenloser medizinischer Beratungen befähigt werden, Gesundheitsinformationen von Fachpersonen und Medien einzuschätzen und informierte Entscheidungen zu treffen. Nicht selten sind es aber gerade die Patienten, die selbst zu medizinischen Massnahmen drängen.
Die SBV setzt auf eine transparente und umfassende Kommunikation zwischen Patient und Arzt, zweifelt aber daran, dass die mengenmässige Einschränkung bestimmter Behandlungen und pseudo-medizinische Beratungen die richtigen Rezepte für Kosteneffizienz und Qualität sind.