Ab Mittwoch, 02.09.2020, werden die Ständeratsmitglieder der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit SGK das Geschäft 19.046 n vorberaten. Was diese gesetzlichen Versuche, die Kosten in der Krankenversicherung zu beeinflussen, angeht, hat sich die SBV erlaubt, den beratenden Parlamentariern die Sicht der Leistungserbringer darzulegen:
Es ist unbestritten, dass Sparanstrengungen von allen Akteuren des Gesundheitswesens verlangt werden, die Mitglieder der SBV wollen sich gegen diesen Druck nicht wehren. Jedoch ist darauf zu achten, dass Einsparungen nicht unbedacht durch einen Mehraufwand an Administration zunichte gemacht werden. Genau dies droht bei zwei Punkten des Kostendämpfungspakets:
Nationales Tarifbüro: Auf den ersten Blick erscheint diese Maßnahme sinnvoll, da sich die Tarifpartner in der jüngsten Geschichte nicht einigen konnten. Bevor nun aber ein neues, bürokratisches Konstrukt erstellt wird, lohnt es sich, die Ursachen genauer zu betrachten, weshalb eine Einigung nicht zustande gekommen ist:
Hier spielten interne Gründe eine Rolle, nämlich, dass die Tarifpartner im früheren TARMED in Form einer einfachen Gesellschaft organisiert waren und jede Partei damit ein Vetorecht hatte. So konnte eine Minderheit die Reformen blockieren. In der neuen Tariforganisation ats-tms AG ist dies nicht mehr der Fall.
Aber auch externe Gründe erschwerten konstruktive Verhandlungen: So verschob die Möglichkeit des Bundesrates, einen Tarifeingriff vorzunehmen, das Kräfteverhältnis und minderte den Anreiz auf Seiten der Kostenträger, eine Lösung zu suchen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Bundesrt ausschliesslich zu Ungunsten der Leistungserbringer in den TARMED eingegriffen hat:
Er hat lediglich dort den medizinischen Fortschritt berücksichtigt, wo Behandlungen günstiger geworden sind, nicht jedoch medizinische und andere Entwicklungen, die den Praxisbetrieb teurer gemacht haben, beispielsweise neue Regularien im Bereich Strahlenschutz. Ein Tarif muss aber sachgerecht sein, was bedeutet, dass nicht nur berücksichtigt werden muss, was günstiger geworden ist, sondern auch was teurer geworden ist. Sogar das Bundesgericht hat indirekt eingeräumt, der Eingriff sei nicht sachgerecht, jedoch politisch gewollt (BGE 9C_476/2017). Solche Missstände verhindern jedoch konstruktive Verhandlungen. Sie mit noch mehr Regulierung beseitigen zu wollen, führt nur zu Kosten im administrativen Bereich und hilft der Sache nicht.
Die Tatsache, dass die Tarifpartner mit TARDOC einen neuen Tarif eingereicht haben, beweist, dass sie durchaus in der Lage sind, auch unter diesen schwierigen Voraussetzungen ihren Beitrag zu leisten. Das nationale Tarifbüro generiert nur neue Stellen ohne Nutzen.
Förderung der ambulanten Pauschalen: Auch diese Massnahme verdient auf den ersten Blick Unterstützung. Der bundesrätliche Vorschlag ist jedoch ein Danaergeschenk, der noch weitergehende Regelungsbefugnisse enthält. Bereits heute sind ambulante Pauschalen möglich, so haben doch die FMCH und Santésuisse im Frühling ein ganzes Paket an ambulanten Pauschalen dem Bundesrat zur Prüfung eingereicht. Nun zeigt sich, dass weitere Tarifpartner, namentlich H+, an diesen ambulanten Pauschalen Interesse haben. Die Möglichkeit des Bundesrates, in die ambulanten Pauschalen einzugreifen, führt lediglich zur Förderung des Ungleichgewichts bei Verhandlungen und ist somit – wie oben dargelegt – nicht zielführend. Selbst wenn man die subsidiäre Kompetenz bei der Einzelleistungstarifstruktur bejaht, ist sie bei den Pauschalen systemfremd. Es soll keine Pflicht geben, Pauschalen zu vereinbaren (vgl. BBl 2019, S. 6134), bei Nichteinigung soll der Bundesrat aber trotzdem einen Eingriff in die Pauschalen vornehmen dürfen, dies ist widersprüchlich. Entweder sind die Pauschalen freiwillig, dann muss auch kein Eingriff stattfinden oder sie sind es nicht. Mit dem Einzelleistungstarif besteht jedoch ein Vergütungsmodell, das zur Anwendung kommen kann, wenn Pauschalen nicht zustande kommen. Dass der Bundesrat sowohl bei der Struktur der Pauschalen als auch beim Basiswert das letzte Wort hat (vgl. BBl 2019, ebenda), ist ein erheblicher Eingriff in die Autonomie der Kantone. Für die Kantone wäre es ebenfalls nicht akzeptabel, wenn der Bundesrat den Taxpunktwert über ihren Kopf hinweg festsetzen kann. Die jetzige Bestimmung genügt bei richtiger Anwendung völlig, was die Eingabe der Pauschalen durch die FMCH und Santésuisse beweisen. Im Übrigen weisen wir darauf hin, dass Pauschalen hilfreich sind, jedoch kein Allheilmittel darstellen (vgl. Beitrag der SBV vom 6. August 2020 „Pauschalen: Weder verteufeln noch in den Himmel loben!“ ).