Die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung (SBV) nimmt hiermit bezüglich der Netzwerke zur koordinierten Versorgung, wie sie im Paket 2 der Massnahmen zur Kostendämpfung dargelegt werden, Stellung:
Dass steigende Prämien der schweizerischen Bevölkerung ein Ärgernis sind, ist unbestreitbar und sollte auch nicht kleingeredet werden. Daher ist es sinnvoll, dass sich die Regierung Gedanken über mögliche Massnahmen zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen macht. Jedoch zeigt sich in den Vorschlägen, die bisher unterbreitet wurden, eine starke Diskrepanz zwischen der Vorstellung der Verwaltung und der gesellschaftlichen Realität.
Am 11. November 2022 teilte die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) ihre Bereitschaft mit, mit den betroffenen Akteuren eine Lösung zu finden, die dem Gesundheitswesen einen Mehrwert bringt und mehrheitsfähig ist.
Als eine der betroffenen Akteure im Gesundheitswesen möchte die SBV den Mitgliedern des National- und Ständerates gerne ihre Sichtweise darlegen, sowie Handlungsoptionen mit Mehrwert aufzeigen.
Mit den Erstberatungsstellen fand bereits ein Versuch statt, die Berufsausübung der Ärzte zu reglementieren. Nachdem diese bereits auf Ablehnung stiessen, folgt nun ein weiterer Versuch der Einschränkung. Dieses Mal in Form der «Netzwerke zur koordinierten Versorgung», deren erzielte Wirkung sich kaum von den Erstberatungsstellen unterscheidet.
In der Praxis existieren koordinierte Versorgungsnetzwerke bereits. Sie entstanden auf Initiative der Leistungserbringer und führten zu einer erhöhten Effizienz. Auch Belegärzte sind häufig in solche Netzwerke eingebunden, sei es institutionell oder sei es aufgrund einer Überweisung des Patienten durch den Hausarzt.
Doch auch ohne Versorgungsnetzwerk ist der Belegarzt gehalten, seine Patienten nach bestem Wissen und Gewissen und mit einer hohen Indikationsqualität zu behandeln. Dazu gehört auch, den Kontakt zu anderen Spezialisten zu suchen, um die bestmögliche Behandlung ihrer Patienten sicherzustellen. Die Belegärzte antizipieren damit die staatlich verordneten Versorgungsnetzwerke.
Die Belegärzte betreuen ihre Patienten als selbstständige Ärzte vor, während und nach einer Behandlung. Dieses dadurch entstehende enge Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wird von den Patienten geschätzt und bewusst gewählt. Ein staatlicher Eingriff, der die selbstständige Arbeit verkompliziert oder gar verunmöglicht, verschlechtert nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern zerstört funktionierende Strukturen, die sich seit langer Zeit bewähren.
Freiwillige Zusammenschlüsse durch Versorgungsnetzwerke mit kantonalen Leistungsaufträgen zu ersetzen, hemmt Innovationen und gefährdet die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Hinzu kommt der erhöhte Administrationsaufwand, da es somit neben der Zulassung der Leistungserbringer noch die Vergabe der Leistungsaufträge braucht. Es ist wichtig, diese Zusammenschlüsse beizubehalten, da sie auf den Bedürfnissen der Patienten sowie Leistungserbringer gründen, also intrinsisch gewachsen sind.
Die Expertise zu entscheiden, wann und in welchem Rahmen ein Versorgungsnetzwerk einen Mehrwert für die Versorgung bietet, liegt bei den Leistungserbringern. Staatliche Vorgaben würden die positiven Effekte der existierenden Netzwerke zunichtemachen.
Zudem ist vorgesehen, dass alle Leistungserbringer des Versorgungsnetzwerkes über eine Rechnung abrechnen. Das BAG greift nicht nur in das Verhältnis zwischen Leistungserbringern und Versicherern ein, sondern möchte auch sonstige Verträge zwischen den Akteuren mit Mindestanforderungen versehen und diese überprüfen, ohne entsprechende Erfahrung oder Wissen auf diesem Gebiet zu haben. Das BAG greift hier ohne Not in die Vertragsfreiheit der Akteure ein.
«Netzwerke zur koordinierten Versorgung» müssen aus dem zweiten Massnahmepaket ersatzlos gestrichen werden. Nach dem staatlich verordneten Globalbudget aus dem ersten Massnahmepaket soll nun die Leistungserbringung verstaatlicht werden. In diesen Versorgungsnetzwerken möchte der Staat bis ins kleinste Detail bestimmen, welcher Leistungserbringer wann, wo, wie, mit wem etc. arbeitet. Dies ist ein extremer Eingriff in die Wahlfreiheit der Patienten, in die Therapiehoheit der Leistungserbringer. Zudem kommt dies einem Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit gleich. Dies lässt befürchten, dass dadurch die selbstständigen Tätigkeiten, insbesondere das belegärztliche Prinzip, untergraben werden.
Für die Gesundheitsversorgung der Schweiz ist es notwendig, dass das Parlament die Bedeutung selbstständiger Ärzte sowie freiwilliger Versorgungsnetzwerke anerkennt. Der administrative Aufwand, sowohl auf Seiten der Verwaltung als auch der Ärzteschaft, ist bereits sehr hoch und sollte daher nicht überreguliert werden.
Das Bundesamt für Gesundheit hat es zudem unterlassen, eine Abschätzung der Regulierungskosten durchzuführen. Die Kosten für Implementierung und Vollzug der Regulierung sollten als Aufwand den Effizienzgewinnen gegenübergestellt werden. Eine so weitreichende Regulierung sollte nicht eingeführt werden, wenn nicht einmal dargelegt werden kann, dass keine Mehrkosten entstehen, geschweige denn ein Einsparpotential vorhanden ist.