Replik zum NZZ-«Tribüne»-Artikel «Pauschalen: gut gemeint, Ziel verfehlt» vom 6. August 2020
Im Kommentar zu der vom Nationalrat beschlossenen Einführung gesamtschweizerischer Pauschalen wird darauf hingewiesen, dass die FMCH und Santésuisse kürzlich beim Bundesrat ein Gesuch um Genehmigung von Pauschalvergütungen für 67 Operationen eingereicht haben, wozu kein neues Gesetz nötig war. Letzteres ist richtig erkannt und ganz im Sinne der SBV: Sie bestreitet nicht, dass Pauschalen sinnvoll und kostensenkend sind, aber es ist nicht nötig, dies auf Gesetzesebene zu gestatten, denn die Gefahr besteht, dass auf diesem Weg der Bundesrat gleich einem Tarifeingriff sozusagen über die Hintertür seinen Einfluss dort geltend macht, wo dies die betroffenen Partner unter sich regeln können sollen.
Im Weiteren erwähnen die Kommentatoren, dass sich nur zehn Prozent der ambulanten Leistungen mit Pauschalen vergüten lassen und diese sich also nicht als alleinige Vergütungsform eignen. Dies soll aus Sicht der SBV auch nicht beabsichtigt sein.
Die Tatsache, dass Patienten nicht standardisiert behandelt werden können, ist auch im stationären Bereich eine Problematik, wo Pauschalen ebenfalls nur für gewisse Standardeingriffe zur Verfügung stehen.
Stichhaltig ist zwar der Vorbehalt, dass Behandlungspauschalen keine Lösung für das Problem der Mengenausweitung (auf mehr Patienten) bringen, hingegen verhindern die Pauschalen die sogenannte innere Mengenausweitung, also dass die Anzahl der Behandlungen pro Fall unnötig gesteigert und somit teurer wird. Die Pauschale macht die Rechnungsprüfung einfacher und dient somit auch dem Arzt.
Im Tribüne-Artikel wird das Managed-Care-Modell (hausärztlich
koordinierte Versorgung) als kostenbewusste, erfolgreiche Form der Behandlung
gelobt, die eigentlich dem pauschalisierten Modell gleichkomme. Sicher ist das
Hausarzt-Modell nicht schlecht, es beinhaltet aber ebenfalls negative Anreize, denn
es kann vor lauter Kostenbewusstsein ein individuelles Globalbudget, bzw.
Kostendach zur Folge haben: Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
leidet, wenn sich der Patient fragen muss, ob für ihn das wirklich Nötige
gemacht wird oder etwas aus Kostengründen unterlassen wird.
Letztlich ist es unvermeidlich, dass jedes Modell und Vergütungssystem
Fehlanreize mit sich bringt: sei es ein Einzelleistungs-, ein Pauschal- oder
ein Zeittarif. Diese wird es immer irgendwo geben, die Modelle sollten deshalb
so konzipiert sein, dass sie zu möglichst geringem Missbrauch Hand bieten.
Beizupflichten ist der Feststellung, dass Pauschalisierungsmodelle partnerschaftliche Lösungen brauchen, dass also Verträge zwischen den Parteien direkt ausgehandelt werden können müssen. Gesamtschweizerische Pauschalen sollten also nicht verpflichtend, sondern höchstens ergänzend sein. In diesem Sinn hat der Nationalrat beim Beschluss zur Einführung gesamtschweizerischer Pauschalen wohl die Gefahr nicht erkannt, dass damit dem BAG noch mehr Macht zugespielt wird.