Pünktlich zu Weihnachten haben die Gesundheitsökonomen Konstantin Beck und Stefan Felder dem schweizerischen Gesundheitswesen ein Geschenk in Form eines NZZ-Kommentars beschert, welches unbedingt eine nähere Betrachtung verdient:
Sie warten kurz gesagt mit zwei ganz konkreten Reformvorschlägen der Krankenversicherung auf, welche seit langem zum Konstruktivsten zählen, was die Diskussion um das Schweizer Gesundheitswesen hervorgebracht hat und die momentan verfahrene Situation zum Besseren bewegen könnte.
Obligatorische Hochrisikoversicherung
Zum einen schlagen die beiden Professoren zur Entlastung der obligatorischen Krankenversicherung OKP die Einsetzung einer separaten obligatorischen Krankenversicherung für die einkommensstarke Bevölkerung vor, welche damit mehr Freiheit und tiefere Prämien gewinnt, aber dafür eine grössere finanzielle Eigenverantwortung übernehmen müsste.
Für Prämienzahlende mit mittlerem und tiefem Einkommen würde sich nichts ändern.
Der grosse Vorzug dieses Vorschlags liegt in seiner sozialen Verträglichkeit, der Beibehaltung der Solidarität zwischen den Versicherten und dem kleinen gesetzgeberischen Aufwand: er bedarf keiner Gesetzesänderung.
Die Reform hätte den positiven, lang erwünschten Effekt, dass die Prämien sänken: Wenn sich die begüterten Versicherten stärker an den Kosten beteiligen müssten, würden sie weniger Leistungen beziehen, was wiederum eine Entschlackung des gesetzlichen Leistungskatalogs nach sich ziehen kann.
Sicherlich bedarf die Umsetzung durchdachter Überlegungen was die Definition des Einkommens angeht, ab welchem lediglich eine Hochrisikoversicherung abgeschlossen würde und bei der Festsetzung der Hochrisikoschwelle – der Teufel liegt bekanntlich im Detail.
Obligatorische Pflegeversicherung
Die zweite Innovation wäre die Einführung einer kapitalgedeckten Pflegeversicherung. Aufgrund der demographischen Entwicklung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass immer mehr Menschen im Alter stationär pflegebedürftig werden. In der Schweiz wird dieses Pflegefallrisiko mit der staatlichen Sozialhilfe (auf dem Buckel der zahlenden jungen Generation) und Lebensversicherungen gedeckt, es besteht somit keine Motivation zu einer privaten Pflegeversicherung. Die Autoren möchten dies mittels einer kapitalgedeckten obligatorischen Pflegeversicherung ändern. Nach ihnen liegt der Vorteil eines Versicherungsobligatoriums darin, dass auf diese Weise die Kostenträger jene wären, welche dann auch potenziell von den Pflegeleistungen profitieren.
Aus Sicht der SBV ermöglicht diese Idee einen Schritt in Richtung Generationengerechtigkeit.
Natürlich würde auch diese Neuerung eine sozialverträgliche Ausgestaltung voraussetzen, insgesamt beeindrucken die Vorteile einer neutralen Verteilung der Kosten zwischen den Generationen sowie eine Lösung der Rollenkonflikte der Kantone, welche bisher die stationäre Langzeitpflege zu 55% mitfinanziert haben.
Die SBV wünscht sich eine möglichst breite Diskussion dieser Modelle, die endlich dazu beitragen, die Medizin zu entpolitisieren. Im Namen der Leistungserbringenden fordert die SBV aber auch gleich, dass ein solcher Wandel von wettbewerblichen Rahmenbedingungen flankiert würde: Bei Patienten, die nicht mehr der OKP-Versicherung angeschlossen wären, müssten die bisherigen Hemmnisse der sozialen Krankenversicherung, wie z.B. die Zulassungssteuerung, der Tarifschutz, die WZW-Kriterien, wegfallen. Nicht in dem Sinne, dass diese abgeschafft, sondern zwischen den Leistungserbringern, den Patienten und den Privatversicherungen verhandelt werden sollten.
pm