Der NZZ-Artikel vom 03.03.2022 von Fabian Schäfer äussert sich zum einschneidenden Entscheid des Nationalrats vom 28.02.2022, mit dem er in der in der ersten Runde der Differenzbereinigung dem Kostendämpfungspaket 1 (19.046 ) mithilfe einer Mitte-Links-Mehrheit zugestimmt hat, mit dem Argument, man wolle nicht mehr länger unnötige Gesundheitskosten von mehreren Milliarden hinnehmen.
Obwohl Bundesrat Berset rechtfertigt, die geplante Kostensteuerung habe nichts mit dem Globalbudget zu tun, kommt es auf dasselbe hinaus: Die Vorlage verlangt nicht nur, dass die Tarifpartner die Abgeltungen aushandeln, sondern auch ein Budget, sprich Mengen und Fallzahlen. Übersteigen die Fallzahlen und Kosten das vorgegebene Mass, müssen die Leistungserbringer Rückzahlungen leisten oder die Tarife werden gesenkt. Einigen sich die Tarifpartner nicht, würde der Bundesrat subsidiär das Kostenziel festlegen. Da die Anreize, sich auf ein Kostenziel zu einigen, völlig ungleich sind, und die Kostenträger davon ausgehen können, dass der Bundesrat in ihrem Sinn entscheiden wird, ist kaum zu erwarten, dass Verhandlungen zielführend sind. Dies hat sich seinerzeit schon bei der Revision von Tarmed gezeigt. Mit anderen Worten, der Gesundheitsminister müsste eigentlich seine Hidden Agenda offenlegen, die besagt: Der Bundesrat will das Kostenziel festlegen; die unmöglich zu erfüllende Prämisse der Einigung zwischen den Tarifpartnern kommt diesem Plan entgegen.
Über ein Globalbudget wurde nicht zum ersten Mal abgestimmt. Wie Yvonne Gilli in der Schweizerischen Ärztezeitung vom 23.02.2022 berichtet, wurde das Globalbudget bereits zweimal abgelehnt. Durch den scheinbaren Paradigmenwechsel der Mitte-Fraktion hin zum Fraktionszwang, hat die Annahme der Vorlage in der kleinen Kammer nun Chancen auf Erfolg. Zu erwarten wäre bei einer Annahme durch den Ständerat in der nächsten Session, dass die FMH das Referendum ergreift, bzw. dass das Volk letztlich entscheidet, ob es mit der Einführung einer Zweiklassenmedizin einverstanden ist.
Die SBV wird sich jedenfalls weiterhin vehement gegen diesen Staatseingriff in das Gesundheitssystem wehren. Sie hat dafür gute Gründe:
- Fehlanreizen sollte nicht durch die Einführung eines Globalbudgets begegnet werden, denn es handelt sich hierbei um eine Symptom- statt Ursachenbekämpfung: Wenn Arztpraxen und Spitäler zu einem späteren Zeitpunkt (z.B. im Folgejahr) Abgeltungen zurückzahlen müssen, weil sie zu viele Behandlungen oder Eingriffe vorgenommen haben, werden Patienten deswegen nicht weniger zum Arzt gehen. Die Ursache für die Mengenausweitung ist im Grunde die überladene OKP: würde dieser Leistungskatalog reduziert und müssten Patienten für Zusatzleistungen mehr finanzielle Eigenverantwortung übernehmen, würden weniger unnötige Leistungen bezogen.
- Das Vertrauensverhältnis Arzt-Patient wird untergraben: Patienten, denen die medizinische Leistung versagt wird, wüssten nicht, ob dies aus Kostengründen geschieht oder weil die Behandlung unnötig ist.
- Die Einführung eines Kostendeckels bewirkt das Aufbauschen der Administration, wenn voraussichtliche Leistungen im Vorhinein geschätzt, erfasst und gemeldet werden müssen, nicht zu sprechen vom Aufwand für Kontrolle, Erfassen und Umsetzung von Rückzahlungen.
- Vertragszwang, Zulassungsteuerung und Beschränkung des Zusatzversicherungsgeschäfts sind keine geeigneten Instrumente, um die Kosten einzudämmen, sondern vielmehr echte Vertragsfreiheit, Qualitätstransparenz und Qualitätswettbewerb.
- Eine Kostenbegrenzung für alle Anbieter von medizinischen Leistungen in Form von Tarif-senkungen mindert diesen Qualitätswettbewerb, denn die Preisreduktion hat zur Folge, dass alle Leistungserbringer gleich belohnt bzw. bestraft werden, unabhängig davon, ob sie sich an die Mengenbegrenzung halten oder nicht. Es besteht kein Anreiz zur unternehmerischen Verantwortung für Kosten und Qualität.