Stellungnahme der Schweizerischen Belegärzte-Vereinigung (SBV) zur jüngsten Medienmitteilung der FINMA vom 16. Januar 2025 und den Aussagen des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV):
Die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung (SBV) nimmt mit Befremden Kenntnis von der Medienmitteilung der FINMA und den Aussagen des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV). In der NZZ vom 18. Januar 2025 wird die folgende Aussage wiedergegeben: «Schon länger ist in der Branche zu vernehmen, dass sich die Tarifverhandlungen mit den Belegärzten als besonders schwierig erweisen – vor allem in der Romandie.» Während die FINMA die Rechtsprechung des Bundesgerichts ignoriert, stellt der SVV die Verhandlungssituation verzerrt und einseitig dar. Diese Ausführungen will die SBV nicht unkommentiert lassen.
Vertragsgestaltung und Wettbewerb
Die SBV ist ein Zusammenschluss von regionalen und kantonalen Belegärztevereinigungen sowie auch von Einzelmitgliedern. Die Belegärzte der Westschweizer Kantone sind allesamt Einzelmitglieder. Losgelöst von dieser Organisationsstruktur sind die Mitglieder in jedem Fall autonom. Die SBV betont, dass die Verhandlungen zwischen Versicherern und Leistungserbringern nicht zentral geführt werden dürfen. Dies ist nicht nur gesetzlich vorgegeben, sondern dient auch der Wahrung eines funktionierenden Wettbewerbs. Viele Belegärzte und Kliniken haben in den vergangenen Jahren neue Verträge ausgearbeitet, bei denen auch die Honorare überprüft und in vielen Fällen angepasst wurden. Die Preisgestaltung ist in erster Linie Sache des Marktes und sollte nicht durch einseitige Branchenvorgaben verzerrt werden.
Doppelte Verrechnung oder Austauschbefugnis?
Die Vorwürfe der FINMA, es würden Leistungen, die schon über die obligatorische Krankenpflegeversicherung bezahlt worden sind, noch einmal verrechnet, weist die SBV zurück. In den meisten Fällen handelt es sich um die Anwendung der sogenannten Austauschbefugnis, die es erlaubt, Sondertarife für den stationären Bereich zu vereinbaren. Diese Praxis wurde vom Bundesgericht explizit bestätigt (vgl. BGE 135 V 443). Es ist daher äusserst bedenklich, dass die FINMA als Bundesbehörde die Gewaltentrennung missachtet und die zulässige Austauschbefugnis ignoriert. Sollte es wider Erwarten doch echte Fälle der Doppelverrechnung geben, ist gezielt auf die fehlbaren Akteure zuzugehen, es braucht hierfür keinen Systemwechsel.
Behinderung des Wettbewerbs durch den SVV
Der SVV wirft den Belegärzten vor, Lösungen und Wettbewerb zu verhindern. Tatsächlich aber schränkt gerade das vom SVV eingeführte Branchenframework «Mehrleistungen VVG» und dessen Umsetzung den Wettbewerb ein. In den Verhandlungen haben Belegärzte zahlreiche Abgeltungsmodelle vorgeschlagen, doch diese werden von etlichen Versicherern zugunsten eines einzigen favorisierten Modells nicht berücksichtigt. Einheitslösungen wie das sogenannte «DRG-Plus» verletzen die Vielfalt der Lösungsansätze und schränken die individuellen Bedürfnisse von Patienten und Leistungserbringern ein.
Problematik des DRG-Plus-Modells
Das von vielen Versicherern bevorzugte «DRG-Plus-Modell», das die Fallpauschalen der Grundversicherung auf die Zusatzversicherung überträgt, birgt erhebliche Probleme. Einerseits fehlt es dem System an der von der FINMA geforderten Transparenz. Die Pauschale umfasst alle Leistungen in einer Black-Box. Wer spitalintern welchen Anteil erhält, ist Sache des Spitals. Darum stellt «DRG-Plus» nach Einschätzung diverser Kartellrechtler auch eine unzulässige Kalkulationshilfe dar, die wettbewerbsrechtlich fragwürdig ist. Dass die Versicherer dieses System favorisieren, ist nachvollziehbar, da es einfache Verhandlungen – es muss ein Faktor verhandelt werden und keine einzelnen Preise – ermöglicht und gleichzeitig die Rechnungskontrolle an die Spitäler auslagert. Ob dies rein der Gewinnoptimierung der Versicherer dient oder ob der Minderaufwand auch an die Patienten weitergegeben wird, ist unklar. Die Spitäler werden jedoch in den Vertragsverhandlungen unter Druck gesetzt, seitens Versicherer wird mit vertragslosem Zustand und schwarzen Listen gedroht. Dies führt dazu, dass Spitäler den Druck der Versicherer an die Belegärzte weitergeben. In der Folge werden Verträge zwischen Versicherern und Spitälern über die Köpfe der Belegärzte hinweg abgeschlossen, womit diese in ein faktisches Anstellungsverhältnis gezwungen werden, was wiederum die Unabhängigkeit der Belegärzte bedroht und das Schweizer Gesundheitssystem erheblich schwächt. Für den zusatzversicherten Patienten bedeutet es die Einschränkung der freien Arztwahl.
Situation in der Romandie
In der Romandie wird in vielen Fällen das Tiers-Guarant-Prinzip angewandt, bei dem der Patient der alleinige Vertragspartner des Belegarztes ist. Dieses Modell ist gesetzlich zulässig und stösst insbesondere in der Romandie auf Anklang. Der von Versicherern geforderte Wechsel zu anderen Modellen wird verständlicherweise auf Widerstand stossen, da er etablierte Strukturen grundlegend verändert.
Einfluss auf die Krankenzusatzversicherung
Das «DRG-Plus»-Modell gefährdet nicht nur die Individualität der Beziehung zwischen Leistungserbringer und Patient, sondern schwächt auch die Attraktivität der Krankenzusatzversicherungen. Die Bevölkerung entscheidet sich für Krankenzusatzversicherungen, um von individuellen und hochwertigen Leistungen zu profitieren. Ein Einheitsmodell untergräbt dieses Versprechen.
Aufruf zu einem konstruktiven Dialog
Die SBV steht für Wettbewerb – gerade auch, um innovative Modelle und Ideen umzusetzen. Wir ermutigen unsere Mitglieder, weiterhin konstruktiv mit den Versicherern zu verhandeln und sich nicht auf ein fragwürdiges Einheitsmodell beschränken zu lassen. Gleichzeitig rufen wir den SVV auf, seinerseits Vielfalt und Wettbewerb zu fördern.
Die SBV wird sich weiterhin für eine sachliche und lösungsorientierte Diskussion einsetzen, die den Interessen von Patienten, Leistungserbringern und dem gesamten Gesundheitssystem dient.