Im aktuellen Jahresverlauf findet vom 13. September bis 1. Oktober 2021 die Herbstsession des Parlaments statt. Folgende Geschäfte sind für die Belegärzteschaft von massgebender Bedeutung:
16. September 2021 (Nationalrat)
19.4180 Motion
Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten
Der Vorstoss will, dass den Kantonen erneut das Recht eingeräumt wird, auf die der Prämienberechnung der Versicherer zugrundeliegenden Buchhaltungsdaten zuzugreifen und dazu Stellung zu nehmen.
Bereits im Juni 2021 hat die SBV bei der SGK-N die Empfehlung abgegeben, die Controlling-Zuständigkeiten im Rahmen der bestehenden Mechanismen aufrechtzuerhalten und den Kantonen kein Recht auf Einsicht in die Buchhaltungsdaten der Versicherer einzuräumen. Denn die Mehrfachrolle der Kantone führt schon jetzt zu Governance-Problemen. Ein Recht auf Einblick in die Buchhaltungsdaten der Krankenkassen würde den Interessenkonflikt zusätzlich verstärken. Die Aufsicht ist bereits auf nationaler Ebene geregelt, eine zusätzliche Kontrollausübung entbehrt eines erkennbaren Mehrwerts, generiert gleichzeitig jedoch einen administrativen Mehraufwand, welcher folglich zu Mehrkosten führt und in letzter Konsequenz den Steuerzahler belastet. Auch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass ein derartiges Einsichtsrecht das Betriebsgeheimnis massgeblich tangierten würde.
21.3962 Postulat
Hürden für die Spitalwahl ausserhalb des Wohnkantons abbauen
Im eingereichten Vorstoss vom 23. Juni 2021 wird der Bundesrat von der SGK-N beauftragt, aufzuzeigen, wie die Hürden, welche die freie Spitalwahl beeinträchtigen, beseitigt werden können und ein gewisser Wettbewerb zwischen den Listenspitälern der Kantone gewährleistet werden kann. Es gilt, die gesetzgeberischen Ziele der neuen Spitalfinanzierung durchzusetzen: Die Spitäler und Kliniken müssen einzig auf der Spitalliste des Standortkantons stehen; bei Wahleingriffen soll der Versicherte Zugang zu allen Listenspitälern der Schweiz erhalten und den Beitrag zugute haben, den der entsprechende Eingriff bei einer Behandlung im Wohnsitzkanton kosten würde.
Gemäss Stellungnahme des Bundesrates vom 1. September 2021 hat die Evaluation der Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) vom 21. Dezember 2007 gezeigt, dass u.a. niedrige Referenztarife für ausserkantonale Hospitalisationen die erweiterte Spitalwahl behindern können (vgl. Schlussbericht des BAG an den Bundesrat vom 25. Juni 2019). Aus Sicht des Bundesrates ist es angezeigt, zuerst den Umsetzungvorschlag zur Motion 18.3388 (“Faire Referenztarife für eine schweizweit freie Spitalwahl”) abzuwarten, welcher dem Parlament voraussichtlich im Rahmen des zweiten Kostendämpfungspakets unterbreitet werden soll.
Die SBV unterstützt grundsätzlich Massnahmen, die sich positiv auf den Wettbewerb auswirken, unter der Voraussetzung, dass die Qualität der medizinischen Leistungen erhalten bleibt. Erhöhte Transparenz sowie grössere Wahlfreiheit der Versicherten sind Ziele, die in die richtige Richtung gehen, indem sie eine Nivellierung nach unten bewirken und somit zu einer Milderung der Wettbewerbsverzerrung durch nicht sachgerecht festgesetzte Basispreise führen. Hinsichtlich Effektivität von effizienzsteigernden Massnahmen vereiteln im zunehmenden Wettbewerb namentlich die Vergütungen für gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) die Gewährleistung gleich langer Spiesse; es fehlt an Einheitlichkeit bei der Definition der GWL, was die Abgrenzung der anfechtbaren Kosten für OKP-pflichtige Leistungen erschwert. Die Mehrfachrolle der Kantone führt zu Governance-Problemen und daher würde sich etwas weniger “Heimatschutz” vorteilhaft auf den Wettbewerb auswirken.
Die SVB sieht dem Umsetzungvorschlag des Bundesrats zur Motion 18.3388 mit Interesse entgegen und wird sich spätestens zum gegebenen Zeitpunkt wieder dazu äussern.
20. September 2021 (Ständerat)
18.4181 Motion
Mehr qualitativer und quantitativer Wettbewerb im Spitalbereich dank Wahlfreiheit der Patienten
Angesichts der – bei gleicher Qualität – erheblichen Kostenunterschiede zwischen den Spitälern, erwägt dieser Vorstoss, dass Patienten, die sich für ein günstiges Spital entscheiden, dafür belohnt werden sollten. Ziel ist es, die im ambulanten Bereich existierenden alternativen Versicherungsmodelle (AVM) weiterzuentwickeln und auf den stationären Bereich auszuweiten.
Ende August 2021 hat die SBV bei der SGK-S deponiert, dass sie alternative Versicherungsmodelle als eine sinnvolle Ergänzung der OKP sehe, da wettbewerbsförderne Massnahmen grundsätzlich unterstützungswürdig sind. VorliegendesKonzept – auch wenn es an sich vernünftig und angesichts der geltenden Gesetzeslage bereits möglich wäre – läuft faktisch jedoch auf eine Einschränkung der Wahlfreiheit hinaus und erscheint zudem als schwer umsetzbar: Die Gewährung von finanziellen Vorteilen für Patienten kann im stationären Bereich schlechter abgegrenzt werden als bei ambulanten Settings. Ein Rabatt muss attraktiv sein, um beim Begünstigten die gewünschte Reaktion auszulösen, vorliegend ist jedoch unklar, wie stark Rabatte angesichts der aufwändigen Konzeption eines pragmatischen Systems überhaupt ausgestaltet werden können. Zudem würde ein derartiges Rabatt-System die bereits durch die Zusatzversicherung angebotene “freie Spitalwahl” konkurrenzieren, was weitere Fragen namentlich bezüglich Lösung und Regelung dieser Problematik aufwirft. Bevor also die Frage nach der Rabattierung und dem Konflikt mit den Zusatzversicherungsprodukten geklärt ist, werden alternative Versicherungsmodelle im stationären Bereich ohnehin einen schweren Stand haben.
20.315 Standesinitiative
Kantonale, regionale oder interkantonale Krankenversicherung – Allfällige Schaffung im Kompetenzbereich der Kantone.
Auch wenn die Initianten in diesem Vorstoss argumentieren, dass die Vergemeinschaftung mittels einer unabhängigen Einrichtung auf Stufe Kantone keine Risiken hinsichtlich Monopolbildung birgt, so handelt es sich faktisch doch um ein weiteres Steuerungsinstrument zur Regulierung des Gesundheitssystems. Solche Regulierungen bergen die Gefahr, dass sich auf eine vermeintliche Lösung negative Konsequenzen ergeben, welche es dann wiederum zu regeln gilt. Elemente wie die Einführung derselben Prämie für dieselben medizinischen Leistungen führen in der Konsequenz grundsätzlich immer in Richtung Schaffung einer Einheitskasse. Massnahmen hinsichtlich Ausbau der kantonalen Kompetenzen sind zudem allgemein heikel, da sie bereits bestehende Governance-Probleme aufgrund der Mehrfachrolle der Kantone verschärfen und, einmal eingeführt, schwer reversibel sind. Bereits heute ist die Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs hoch umstritten. Mit einer Einrichtung, wie sie der Vorstoss andenkt, würde sich die Situation verschlimmern.
Die SBV vertritt bezüglich Schaffung einer kantonalen, regionalen oder interkantonalen Krankenversicherungen eine klar ablehnende Meinung und gab im August gegenüber der SGK-S die Empfehlung ab, die (Controlling)-Zuständigkeiten im Rahmen der bestehenden Mechanismen aufrechtzuerhalten.
21.3615 Interpellation
Ambulante Arzttarife. Wo stehen wir?
Die Tarifpartner haben mit viel Aufwand einen neuen Einzelleistungstarif namens Tardoc erarbeitet und zur Genehmigung eingereicht. Mit dem Massnahmenpaket 1a hat das Parlament nun u.a. beschlossen, eine nationale ambulante Tariforganisation ins Leben zu rufen und eine Rechtsgrundlage für die Einführung von obligatorischen ambulanten Pauschalen geschaffen. In diesem Zusammenhang bittet die FDP (Die Liberalen) den Bundesrat um die Beantwortung diverser Fragen.
HIER geht’s zu den Fragen und Antworten des Bundesrats.
27. September 2021 (Ständerat)
21.3957 Motion
Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Rückstand endlich aufholen!
Dieser Vorstoss beinhaltet die Beauftragung des Bundesrats, die digitale Transformation im Gesundheitswesen substanziell voranzubringen. Dazu gehöre namentlich die Aufstellung einer Taskforce, die Erarbeitung einer Digital-Strategie, die Schaffung von Leitplanken sowie Know-how nach den Grundsätzen der Interoperabilität und “once-only”, die Nutzung vorhandenen Wissens seitens der relevanten Akteure, Förderung der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in den betreffenden Bereichen und schliesslich die Aufklärung der Öffentlichkeit durch ein zentrales Informationsportal. HIER geht es zu weiteren Erwägungen (namentlich auch im Zusammenhang mit dem EPD).
Um den Willen zur Vorantreibung der Digitalisierung zu aktivieren, bedarf es pragmatischer Lösungen, welche die Leistungserbringer auch tatsächlich entlasten und den administrativen Anteil auf ein absolutes Minimum reduzieren. Nur so kann das Ziel erreicht werden, die Effizienz zu erhöhen, was wiederum kostendämpfend wirkt.