In diesen Tagen wurde in Ärztekreisen für die Initiative aus linken Kreisen mobilisiert. Auf den ersten Blick erscheint das Ansinnen durchaus legitim und mancher Arzt, der sich bereits mit einer Krankenkasse herumschlagen musste, ist versucht, diese Initiative zu unterschreiben. Sie ist allerdings inkonsequent, kontraproduktiv und schädigt das Milizparlament erheblich. Sie ist deshalb abzulehnen.
- Die Initiative ist inkonsequent: Die Initianten argumentieren, es dürfe nicht sein, dass Akteure der Krankenkassen in entsprechenden Kommissionen sitzen und über Mittel der öffentlichen Hand, die ihnen zugehen sollen, mitentscheiden. Diese Argumentation ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, besteht hier tatsächlich ein Interessenkonflikt. Es stellt sich dann aber die Frage, wieso sich die Initiative gerade auf dieses Gebiet beschränkt. In diversen anderen Bereichen ist dies ebenfalls gang und gäbe und wird von den Initianten bewusst ausgeklammert: Man will wohl gewisse Gruppen nicht gegen sich aufbringen und beschränkt sich deshalb bewusst. Konsequenterweise müssten aber alle Vertreter der Landwirtschaft, der öffentlichen Spitäler, der Energiewirtschaft, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, des Bundespersonals, der Rüstungszulieferer, des Hoch- und Tiefbaus ausgeschlossen werden. Sie alle profitieren direkt oder indirekt von Mitteln der öffentlichen Hand. Je mehr Aufgaben der Staat übernimmt, desto mehr weitet sich diese Liste aus.
- Die Initiative ist kontraproduktiv: Heute besteht aufgrund des Parlamentsgesetzes eine Pflicht, seine Interessensbildungen offen zu legen. Ebenso ist öffentlich ersichtlich, wem der Zutrittsbadge, von dem jeder Parlamentarier zwei verteilen darf, abgegeben worden ist. Ein Verbot könnte dazu führen, dass diese Transparenz verschwindet und undurchsichtigere Interessengruppen gefördert werden. Nur in den Fällen, in denen so etwas publik gemacht wird, hat der Wähler die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Heute kann er – zumindest theoretisch – auf jede Interessensbindung reagieren und einen solchen Vertreter nicht wiederwählen.
- Schwächung des Milizparlaments: Bereits heute sind etliche Volksvertreter in beiden Kammern nicht oder kaum noch berufstätig. Viele begnügen sich mit der grosszügig bemessenen Entschädigung. Die Schweiz lebt jedoch stark vom Milizgedanken auf allen Ebenen der Gesellschaft. Es war jeweils ein Vorteil, dass die Alltags- und Berufserfahrung eingebracht werden kann. Verbietet man Nebenbeschäftigungen, die sich ja eigentlich nicht nur auf Krankenkassenvertreter beschränken darf, sind wir auf den besten Wegen zu einem Berufsparlament mit all seinen negativen Folgen.
- Nutzen? Man kann sich fragen, ob denn ein solches Verbot überhaupt einen Nutzen bringt. Die Gesundheitskosten steigen aus diversen Gründen, dem Älterwerden der Gesellschaft, dem Konsumverhalten, dem medizinischen Fortschritt, der Fehlplanung im Spitalwesen und so weiter und so weiter.
Führt man sich diese Argumente vor Augen, fragt man sich, wie es so weit kommen kann, dass eine solche Volksinitiative überhaupt lanciert wird. Die Antwort ist einfach: Die Krankenkassen haben sich dies zu einem gewissen Grad selbst zuzuschreiben: Es kam in der letzten Zeit immer wieder vor, dass einzelne Kassen in ein mehr oder weniger aggressives Politlobbying investiert haben. Einzelne Parlamentarier nahmen bald nach ihrer Wahl ein Amt im Verwaltungsrat einer Krankenkasse an. Geschieht dies vor der Wahl, so ist dies nicht zu beanstanden, da der Wähler weiss, was er für seine Stimme erhält. Geschieht dies aber erst danach, so ist es nachvollziehbar, dass jemand von Stimmenkauf spricht. Auch dies ist nicht ausschliesslich ein Phänomen der Krankenkassen, jedoch sind da einige Fälle publik geworden. Die Interessenvertreter sind daher gut beraten, hier ein wenig mehr Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen, dem sich die Volksvertreter anschliessen und mehr Zurückhaltung üben sollten – zur Wahrung des Milizgedankens.