Pünktlich auf die verkündeten Prämienerhöhungen überbieten sich die Mitglieder des Parlaments mit Vorstössen, um die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu kontrollieren. Dabei wird von Links bis Rechts auf Rezepte zurückgegriffen, die teilweise schon mehrfach vorgebracht worden sind. Andere Vorstösse folgen dem Prinzip «gut gemeint» und sind wenig durchdacht. Vor allem aber ist die Flut der Vorstösse ein Beleg dafür, dass tatsächlich eine Regulierungsexplosion stattfindet. Die SBV hat die wichtigsten Vorstösse gesammelt und kommentiert:
- Moratorium 1, Kosten:
23.466 | Un gel des primes maladie s’impose | Objet | Le Parlement suisse (parlament.ch)
Die parlamentarische Initiative Amandruz möchte einem von links aufgegriffenen Anliegen nachkommen und die Kaufkraft stärken. Dieser Vorstoss wird das eigentliche Kostenproblem nicht lösen. Bei einem Einfrieren der Prämien müssen entweder Reserven der Krankenkassen aufgewendet werden, Reserven, die dank Bundesrat Berset nicht mehr vorhanden sind, oder aber Steuermittel. Eine Erhöhung der Steuerlast schwächt die Kaufkraft aber ebenfalls. Das Gleiche will die NR Michaud Gigon mit einer parlamentarischen Initiative erreichen. Auch hier gilt: Das Moratorium würde an der Kostenentwicklung nichts ändern, sondern nur die Kosten verlagern.
- Moratorium 2, Leistungen:
Die SBV steht dem Ausweiten des Leistungskatalog zulasten der Grundversicherung grundsätzlich skeptisch gegenüber. Die Motionen sind hierfür allerdings ein beschränkt taugliches Mittel. Ein solches Moratorium ist letztlich auch nur ein einseitiges Fokussieren auf die Kosten ohne den entsprechenden Nutzen zu beurteilen. Im schlimmsten Fall kann die Motion sogar kontraproduktiv sein, nämlich wenn eine neue Behandlung langfristig mehr Kosten einspart. Die Möglichkeit, dass Ausnahmen von der absoluten Mehrheit des Parlaments genehmigt werden können, wird hier kaum neue Innovation fördern, und dort, wo Innovation noch vorkommt, wird sie der Treiber einer Zweiklassenmedizin sein.
- Alter Wein in neuen Schläuchen, Einheitskasse:
Die Fragen von Frau NR Wyss sind berechtigt. Es darf dabei aber nicht vergessen gehen, dass Frau NR Wyss eine grosse Verfechterin der Einheitskasse ist und sie sich deshalb Antworten in eine Richtung erhofft. Die SBV hält an ihrer Position fest und befürwortet den Wettbewerb unter den Kassen. Nur so können verschiedene Einkaufsgemeinschaften verhandeln und Versicherer interessante alternative Versicherungsmodelle entwickeln. Die SBV ist der Meinung, dass dieser Wettbewerb sogar noch gefördert werden und der Gestaltungsraum der Versicherer vergrössert werden soll.
23.4067 | Cassa malati pubblica da rivalutare | Oggetto | Il Parlamento svizzero
Auch das Postulat von NR Quadri, welches eine Einheitskasse verlangt, ist abzulehnen. Die Umfrage, auf welche er sich bezieht und die besagt, dass 79 % der Stimmbevölkerung eine Einheitskasse befürworten würden, ist eine Momentaufnahme. Hätte man eine Umfrage gemacht, als die Post die erneute Erhöhung der Portopreise verkündete, wäre das Ergebnis möglicherweise gerade gegenteilig gewesen, dass man mehr Wettbewerb zulassen solle. Diese Umfragen können auch durch eine suggestive Frageweise beeinflusst werden und sind daher nur beschränkt aussagekräftig. Die Prämien sind seit Einführung des KVG auch nicht wegen der grossen Zahl an Versicherern gestiegen, sondern weil die Gesundheitskosten gestiegen sind. Soll das Experiment Einheitskasse tatsächlich vorgenommen werden, dann ist dies im Rahmen des Experimentierartikels auf einen kleinen Kanton zu beschränken. So bleibt gewährleistet, dass das Projekt gestoppt werden kann. Die SBV ist fest überzeugt, dass eine Einheitskasse mehr schadet als nützt.
- Liberale Lösungen und Innovation:
23.4088 | Lockerung des Vertragszwangs im KVG | Geschäft | Das Schweizer Parlament
Die SBV wehrt sich nicht absolut gegen den Vertragszwang. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bereits heute überwiegende Mehrheit der Bevölkerung freiwillig auf die vollständige Wahlfreiheit verzichten und in einem alternativen Versicherungsmodell versichert sind. Wie in der Stellungnahme zum Vorstoss 23.4119 erwähnt, müssen die Rahmenbedingungen für AVM besser werden. Weiter besteht die Gefahr, dass eine Lockerung des Vertragszwangs einseitig auf Kosten des Preises ohne den gewünschten Qualitätswettbewerb durchgesetzt wird. Das wird auf Leistungserbringerseite zu einer Jagd nach guten Risiken führen. Dass Fehlanreize bestehen und beseitigt werden müssen, ist richtig. Sie dürfen allerdings nicht durch andere Fehlanreize ersetzt werden. Was die SBV sehr unterstützt, ist die Forderung, Mehrjahresverträge zuzulassen. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die Prämien jeweils für ein Jahr festgelegt werden und somit eine Erhöhung eingeplant werden muss. Hierfür stünden Mechanismen zur Verfügung, beispielsweise, dass ein Preiskorridor vorgesehen ist, bei dessen Verlassen ein ausserordentliches Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers entsteht. Dies hat den zusätzlichen Anreiz, dass die Kostenträger dafür besorgt sind, den Kosten- und somit Prämienanstieg gering zu halten.
Die SBV anerkennt das Potenzial, welches NR Burgherr im Gesundheitswesen ortet. Dass die Regulierungsdichte derzeit zu hoch ist, betonte die SBV schon mehrfach. Das Postulat geht in eine gute Richtung, jedoch fehlen konkrete Vorschläge.
- Kostentreiber Löhne:
Frau SR Graf stellt eine berechtigte Frage. Ob die Lohnentwicklung in der Verwaltung hier als Vergleich beigezogen werden soll, ist zweifelhaft. Es gilt weit herum als unbestritten, dass die öffentliche Verwaltung überdurchschnittlich gute Löhne bezahlt. Die geringere Attraktivität des Pflegeberufs ist allerdings nicht allein vom Lohn abhängig, sondern auch von übrigen Faktoren, z.B. unregelmässige Arbeitszeiten. Schliesslich ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass die Tarife sehr träge sind und nicht rasch angepasst werden können. Dies hat dazu geführt, dass unzählige Spitäler in eine finanzielle Schieflage geraten sind.
- HTA als wichtiges Element der Kostendämpfung:
Die Interpellation trifft einen wunden Punkt des Systems. Die Institutionalisierung der WZW-Kriterien ist ein wichtiges Element des KVG, das noch immer nicht richtig umgesetzt ist. Man könnte sagen, es handelt sich hier um ein Gesetz, zu dem die Gebrauchsanleitung fehlt. Die Fragen, die Frau NR Schläpfer stellt, sind sehr wichtig. Es ist zu hoffen, dass aus den Antworten die richtigen Schlüsse und Konsequenzen gezogen werden.
- Dampfhammer PUK:
23.470 | Une CEP pour l’assurance maladie | Objet | Le Parlement suisse (parlament.ch)
Eine parlamentarische Initiative verlangt, dass eine Parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt wird, um die Missstände im Bereich der Krankenkassen zu untersuchen. Ein solches Instrument ist nach Ansicht der SBV wenig zielführend, da das mittlere Kostenwachstum im letzten Jahrzehnt deutlich abgenommen hat. Sondereffekte wie Corona und die Folgen davon sowie der politische Entscheid, Einfluss auf die Reserven zu nehmen, haben zur überdurchschnittlichen Prämienerhöhung geführt. Um dies zu erkennen, ist keine PUK nötig.
- Vermittlungstätigkeit: Kollektivstrafe?
Die SBV stellt die undifferenzierte Vermischung von Tätigkeiten im Grund- und Zusatzversicherungsbereich in Frage. Eine Beschränkung der Vermittlertätigkeit im Rahmen einer freiwilligen Versicherung stellt einen unverhältnismässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar.
23.4185 | Vermittlertätigkeit regeln und Kaltakquise verbieten | Geschäft | Das Schweizer Parlament
Das Anliegen ähnelt demjenigen von Vorstoss 23.4150. Auch NR Gisy differenziert nicht zwischen KVG und VVG. Die Vermittlertätigkeit der OKP ist an einem kleinen Ort und kaum prämienrelevant. Sie müssen über die Verwaltungskosten finanziert werden, die einen geringen Anteil ausmachen. Im Zusatzversicherungsbereich – wobei der Vorstoss sich nicht explizit darauf beschränkt und auch andere Versicherungsprodukte darunter fallen können – gilt das zum Vorstoss 23.4150 gesagte: Es ist ein unverhältnismässiger Eingriff in die unternehmerische Freiheit eines privaten Anbieters freiwilliger Versicherungen. Die SBV ist sich bewusst, dass die Methoden, die teilweise mehr als fragwürdig sind, in der Bevölkerung für Unmut sorgen. Dem ist aber mit anderen Mitteln entgegenzutreten.
- Kantonaler Risikoausgleich: Kantönligeist 2.0?
Die SBV kann nachvollziehen, dass Kantone, die unter einer hohen Prämienlast leiden, besondere Massnahmen wünschen. Die Prämien folgen allerdings immer den Kosten und das von NR Quadri angesprochene Problem der guten und schlechten Risiken ist durch den Risikoausgleich zwischen den Versicherern entschärft worden. Einen weiteren Risikoausgleich zwischen den Kantonen würde die Eigenverantwortung der Versicherten als auch der Kantone untergraben.