Politisch motivierter Eingriff, Risiken und Nebenwirkungen sind voprogrammiert.
Die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung nimmt Kenntnis von der Mitteilung, des Bundesrates, mittels eines Tarifeingriffes 470 Millionen Franken bei den ambulanten Kosten der Krankenversicherung zu sparen. Es besteht Einigkeit darüber, dass der Tarmed für gewisse Positionen veraltet ist und dringend einer Überarbeitung bedarf. Im Gegensatz zum Bundesrat, der lediglich Kürzungen durchsetzen will, erachtet die SBV eine Überarbeitung in beide Richtungen als notwendig. Was aufgrund des medizinischen Fortschritt günstiger geworden ist, soll auch entsprechend geringer vergütet werden. Was teurer geworden ist – und das geht vergessen, viele Kosten sind heute höher als bei der Tarmed-Einführung – soll entsprechend besser entschädigt werden. Man denke hier nur einmal an die Miet- oder Lohnkosten.
Die genauen Details des bundesrätlichen Eingriffs sind noch nicht bekannt. Lediglich einzelne Elemente wurden bislang skizziert. Die lineare Kürzung bei den Spezialisten, wie sie der Bundesrat vorsieht, entspricht weder dem Kriterium der Sachgerechtigkeit noch dem der Wirtschaftlichkeit. Wie schon beim letzten Eingriff, ist zu befürchten, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Beurteilung kommen wird. Entscheidet in letzter Instanz das Bundesgericht, dass ein solcher Eingriff unzulässig ist, wird dies erhebliche Korrekturen zur Folge haben. Der Departementsvorsteher geht das Risiko ein, in einigen Jahren vor einem sehr teuren politischen Scherbenhaufen zu stehen. Falls es vorher zu einer Rochade der Departemente im Bundesrat kommen sollte, wird sich der Nachfolger von Bundesrat Berset über diese Altlast freuen.
Es ist nachvollziehbar, dass Politiker und Medien den Eingriff begrüssen, in der Hoffnung, die Parteien würden sich nun zu Verhandlungen gezwungen sehen und die rasch zu einem Resultat bringen. Dass der Eingriff sich als Bärendienst erweisen kann, ist vielen nicht aufgefallen. Die Krankenversicherer sind in der komfortablen Situation, dass sie im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen und des deshalb folgenden Eingriffs nicht schlechter gestellt sind. Damit sinkt ihre Kompromissbereitschaft markant. Auch dies ist eine direkte Konsequenz des einseitigen auf Kürzungen ausgerichteten Eingriffs.
Die grossen Verbände innerhalb der Ärzteschaft haben allerdings erkannt, dass die Revision des Tarifs nur gemeinsam erreicht werden kann. Der Schulterschluss, der am 18.08.2017 anlässlich der Pressekonferenz demonstriert worden ist, begrüsst die SBV deshalb ausdrücklich. Das Projekt Tarco und ebenso die ambulanten Pauschalen verdienen deshalb die Unterstützung aller. Es ist zu hoffen, dass sich die anderen Tarifpartner dem Ansinnen der FMH und ihrer angeschlossenen Verbände folgen werden. Nur so kann die Tarifautonomie bewahrt werden.
21.08.2017, Florian Wanner