Drei Motionen der Mitte befassen sich mit der digitalen Transformation und im Besonderen mit dem elektronischen Patientendossier (EPD):
Der Vorstoss “Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Rückstand endlich aufholen!” (21.3957) beinhaltet die Beauftragung des Bundesrats, die digitale Transformation im Gesundheitswesen substanziell voranzubringen. Dazu gehöre namentlich die Aufstellung einer Taskforce, die Erarbeitung einer Digital-Strategie, die Schaffung von Leitplanken sowie Know-how nach den Grundsätzen der Interoperabilität und “once-only”, die Nutzung vorhandenen Wissens seitens der relevanten Akteure, Förderung der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in den betreffenden Bereichen und schliesslich die Aufklärung der Öffentlichkeit durch ein zentrales Informationsportal. Das elektronische Patientendossier soll – sowohl bezüglich der Einführung wie auch des Unterhalts/Betriebs und seiner Infrastruktur (zentrale Datenablage für Patienten/innen) – in Zusammenarbeit mit den Kantonen finanziell gesichert werden (21.3924). Es solle als Kommunikationsinfrastruktur genutzt werden (interoperable Zusatzdienste für Gesundheitsfachpersonen mit geschütztem Leistungserbringer-Briefkasten) und die Zugriffsrechte sind zu vereinfachen (Wahl des Patienten zwischen Opt-In oder Opt-out). Benutzertauglichkeit soll für alle Betroffenen einen Mehrwert bringen, Administration ist abzubauen (21.3925).
Der Trend zur Digitalisierung entspricht dem Zeitgeist und die technische Modernisierung der Datenverarbeitung erscheint angesichts der Komplexität des schweizerischen Gesundheitswesens als Notwendigkeit. Doch führen Möglichkeiten und Auswirkungen der Digitalisierung auch zu Veränderungen, welche einschneidende Konsequenzen nach sich ziehen. Nebst der Verbesserung der medizinischen Versorgung und der Erhöhung der Patientensicherheit muss die Effizienz als weiterer handlungsleitender Grundsatz explizit mitberücksichtigt werden, ist sie doch der Schlüsselfaktor hinsichtlich der Kostenfolgen im Zusammenhang mit den Digitalisierungsbestrebungen. Es müssen optimale technische, rechtliche und politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche sich auch hinsichtlich der Anreizsetzung positiv auswirken und dazu ist eine dialogbasierte Zusammenarbeit aller relevanten Akteure gefragt.
Die SBV hat sich bereits mit dem EPD auseinandergesetzt und festgestellt, dass das Projekt in der Schweiz harzt, weil es für Leistungserbringer mit mehr Be- als Entlastung verbunden ist.
Der Zugriff auf Patientendaten mittels elektronischem Patientendossier (EPD) verspricht zwar eine grössere Patientensicherheit und Einsparungen durch die Vernetzung mit anderen Leistungserbringern (Hausärzte, Spitex, Reha, usw.). Die Einführung des EPD harzt aber, denn zurzeit bedeutet die damit verbundene Dokumentationsarbeit für die Ärzte mehr Be- als Entlastung und führt infolgedessen zu einer Qualitätseinbusse. Ausserdem kann das EPD nicht umgesetzt werden, solange unklar ist welche Informationen darin überhaupt erfasst werden müssen. Gesetzlich wurde bestimmt, dass im EPD behandlungsrelevante Daten enthalten sind, was keine konkrete Definition ist. Dies kann zur Folge haben, dass das EPD mit Dokumenten überfüllt wird und das Auffinden von relevanten Informationen dadurch verzögert, wenn nicht gar verhindert wird. Auch Haftungsregelungen und Fragen zur Erfassungspflicht sind noch nicht abschliessend geklärt und weder eine kompatible Software noch geeignete Kommunikationskanäle stehen zur Verfügung.
Nebst bürokratischem Aufwand erwachsen den Ärzten auch noch zusätzliche Kosten für Support, Unterhalt, Updates und Lizenzgebühren. Da Tarife ja kostenbasiert und auf wirtschaftlicher Grundlage sein sollten, müsste die Vergütung des EPD-Aufwands somit berücksichtigt werden. Das bedeutet, die Kosten würden auf die Patienten, bzw. die Prämien- und Steuerzahler abgewälzt.
Ein weiterer ungelöster Aspekt ist der Persönlichkeitsschutz im EPD: Soll dieser garantiert sein, so muss der Patient bestimmen können, welche Informationen eingetragen werden und er muss verhindern können, dass Unberechtigte zu seinem Nachteil Zugriff nehmen. Wird diese Vorgabe berücksichtigt, kann hingegen die Patientensicherheit nur dann gewährleistet werden, wenn der Arzt alle Abklärungen, die für ihn wichtig sind, selbst noch einmal vornimmt, bzw. vornehmen lässt. Allein schon aus haftungsrechtlichen Überlegungen darf er nicht davon ausgehen, dass die Information vollständig ist. Deshalb leidet so die Effizienz am meisten, die ja eigentlich mit dem EPD hätte gefördert werden sollen. Dieser Missstand kann somit zu einem Kostentreiber werden.
Die SBV begrüsst das baltische Modell als beste Lösung: Um die Patientensicherheit zu gewährleisten, werden die gesamten Informationen im elektronischen Dossier abgespeichert, allerdings ist jeder Zugriff identifizierbar. Das heisst, der Patient sieht jederzeit, wer sein Dossier konsultiert hat. Damit kann verhindert werden, dass unbefugte Personen unerkannt Informationen über die Patienten einsehen können; eine einfache und wirksame Lösung, die sowohl der Patientensicherheit als auch dem Persönlichkeitsschutz gerecht wird. Um den Willen zur Vorantreibung der Digitalisierung – vorliegend namentlich des EPD – zu aktivieren, bedarf es pragmatischer Lösungen, welche die Leistungserbringer auch tatsächlich entlasten und den administrativen Anteil auf ein absolutes Minimum reduzieren. Nur so kann das Ziel erreicht werden, die Effizienz zu erhöhen, was wiederum kostendämpfend wirkt.